Einige  Stabschriften

Eine Stabschrift ist per Definition (siehe Artikel Lautbildschrift-Arten ) eine Lautbildschrift mit (meist nur 4) einzelnen Strichen als Zeichen. Sie hat weit weniger Zeichen als Laute, ist also eine Positionsschrift. Zum Verständnis des Folgenden sollte man in jenem Artikel den Anfang und die Beschreibung der Stabschrift gelesen haben. Wir präsentieren hier eine leistungsfähigere Stabschrift mit Leerzeichen und beliebiger Zeilenlänge, und zwar in verschiedenen Aussprache-Versionen.




Version:   Zeilenwechsel durch Akzent markiert

Jene Einfach-Stabschrift, mit nur 2 Zeichen pro Zeile, liefert meist schlechte Bildworte. Wir erlauben deshalb beliebig viele Zeichen pro Zeile. Die Lesereihenfolge bleibt dieselbe: Man liest zeilenweise von unten nach oben, die einzelnen Zeilen von links nach rechts. Wieder werden die Zeichen abwechselnd als Konsonant und als Vokal gelesen, auch innerhalb einer Zeile: Das 1. Zeichen einer Zeile wird als Konsonant gelesen, das 2. als Vokal, das 3. als Konsonant, das 4. als Vokal, usw. Man erhält so leicht sprechbare Wörter mit einfacher und regelmäßiger Silbenstruktur.  Ein Beispiel:




                      "Bergkette"                              mamama-tututu 





                       Hier  die   ganze   Zeichentabelle:
                    
 Zeichen 



     L a u t w e r t
 
  bei Position in Zeile: 
 1,3,5... 
 2,4,6... 
      
   s
    i
    | 
   l
    e
    - 
   m
    a
    / 
   t
    o
    \ 
   p
    u
Beachte die Ähnlichkeiten s - i (hoher Ton) p - u (tiefer Ton). Die optimale und auch intuitiv beste Zuordnung der Laute zu den Zeichen ist wie immer eine schwierige Frage. Wir zeigen hier der Einheitlichkeit wegen eine Lösung ähnlich wie bei der Buchstaben-Lautbildschrift: Leerzeichen = i, Schrägstriche = nicht summende Konsonanten, senkrechte / waagrechte Striche = summende Konsonanten.

Das Lesen wird dadurch erleichtert, daß man die Zeichen einer Zeile immer paarweise liest, als Silbe aus Konsonant + Vokal. (Bei ungerader Zeichenzahl liest man noch 1 Leerzeichen am Zeilenende mit, damit auch die letzte Silbe diese Struktur hat und die Sprechbarkeit gesichert ist).   Es gibt nur 5*5 = 25 Zeichenpaare bzw. Silben:








Das Leerzeichen gilt als normales Zeichen und wird, wie die anderen Zeichen, je nach Position als Konsonant oder Vokal gesprochen. Alle Leerzeichen vom linken Rand des Bildwortes bis zum letzten geschriebenen Zeichen einer Zeile werden tatsächlich gelesen! (Siehe folgende Wortbeispiele).
Stehen mehrere Leerzeichen nebeneinander in einer Zeile, so muß man beim Lesen, wenn der quadratische Grundraster nicht abgebildet ist, anhand der darüber- / darunterliegenden Zeichen abzählen, um wie viele Leerzeichen es sich handelt! Zeilen oder Spalten, die nur aus Leerzeichen bestehen, sind nicht erlaubt: Man hätte sonst einen Wortzwischenraum innerhalb des Bildworts! Wortbeispiele mit Leerzeichen:







Jedes Stabschrift-Ideogramm läßt sich in 90-Grad-Schritten in 4 Richtungen drehen. Aber es wird dann anders ausgesprochen und hat eine andere Bedeutung (wenn überhaupt eine), kurz es ist ein anderes Wort. (Ausnahme: drehsymmetrische Ideogramme wie z.B. ein Quadrat). Nach Drehen eines Ideogramms um 45 Grad, und dann in 90-Grad-Schritten, erhält man 4 weitere ähnliche Darstellungen, die aber leicht verzerrt sind.   Beispiel:









Weitere Wortbeispiele:













Gesichter:






Gestalten:








Beim Sprechen werden die Zeilen phonetisch voneinander getrennt durch Endakzent (auf dem letzten gesprochenen Vokal einer Zeile) und kurze Pause. Bei zu schwach gesprochenem Akzent ist eine Verwechslung dieser Zeilenpause mit der Wortpause nicht zu befürchten, da vor jedem Wort eines Satzes eine nicht geschriebene Partikel (o, a oder e) gesprochen wird, die den Wortanfang markiert und gleichzeitig die Stellung des Wortes im Satz angibt (Satzanfang, Spaltenanfang, sonstige Position).



Version: Zeilenwechsel durch Diphtong markiert

Die eben gezeigte Version einer Stabschrift hat einen phonetischen Schwachpunkt: Bei einsilbigen Zeilen, schnellem Sprechen, oder störenden Umständen wie Geräuschen, schlechter Telefonverbindung etc., werden Endakzente und Endpausen der Zeilen womöglich unverständlich. Man weiß dann nicht mehr, wo eine Zeile aufhört und die nächste beginnt. Wenn man z.B. versucht, das gehörte Wort tatata zu schreiben, weiß man u.U. nicht: War tatata gemeint (1-zeiliges Wort mit 6 Zeichen) oder ta-ta-ta (3 Zeilen mit je 2 Zeichen) oder tata-ta oder ta-tata (2 Zeilen mit 2 und 4 Zeichen) ?

Ein Diphtong-i als Zeilenende-Signal zu sprechen wäre eine phonetisch deutlichere Lösung. Die eben erwähnten Worte lauteten dann: tatatai   tai-tai-tai   tatai-ta   tai-tatai   . Nach i am Zeilenende würde man ein e anhängen (statt Diphtong-i). (Endkazent und Pause könnte man trotzdem bei längeren Zeilen sprechen, um akustische Bandwurm-Wörter zu vermeiden.) Nachteil dieser phonetisch markanten und wohlklingenden Lösung: Die eh schon langen Wörter werden akustisch noch länger, und das menschliche Sprechpotential wird mit nur 5 Konsonanten nicht ausgenutzt (wie bei allen bisher gezeigten Stabschriften)




Version: Zeilenwechsel durchl durch Konsonantenwechsel markiert

Obige Nachteile vermeidet eine andere Lösung, die aber etwas umständlicher ist, nämlich ein Konsonantenwechsel am Zeilenanfang: Statt einem t spricht man am Zeilenanfang ein k . Obige 4 Worte heißen dann:

                                             katata     ka-ka-ka     kata-ka     ka-kata

Allgemein:   beim Lesen einer Zeile wird jedes 1.,3.,5. ... Zeichen, also jedes Zeichen an ungerader Position, als Konsonant gelesen. An 1. Position wird aber ein anderer, ähnlicher Konsonant gesprochen, damit der Zeilenanfang akustisch erkennbar ist. Jedes Zeichen an gerader Position wird wie bisher als Vokal gesprochen. Das Anfangs-Beispiel "Bergkette" heißt statt mamama-tututu jetzt namama-kututu .   Hier die ganze erweiterte Tabelle:


                  
 Zeichen 
  L a u t w e r t  
  bei Position in Zeile: 
   1 
 3,5,7... 
 2,4,6... 
      
   f
 s
    i
    | 
   r
 l
    e
    - 
   n
 m
    a
    / 
   k
 t
    o
    \ 
   v
 p
    u

Diese Tabelle ist nur als Beispiel gedacht, wie so ein Konsonantenwechsel funktioniert. Die Lautzuordnung wurde so gewählt, daß die Konsonantenspalte aus der Tabelle weiter oben komplett erhalten blieb. Es wäre aber sinniger, die markanten Laute s und p am Zeilenanfang zu benutzen, also besser die ganze Tabelle neu entwerfen.



Version: Konsonant nur am Zeilenanfang

Eine hochinteressante Version: Nur das 1. Zeichen einer Zeile wird als Konsonant gesprochen, alle anderen als Vokal. Der Zeilenanfang wird dadurch rein intuitiv leicht erkannt, als Bruch in der tönenden Vokalfolge. Nachteil: Die Vokalfolgen sind oft schwer sprechbar, was aber durch Verwendung von i als Füll-Laut behoben werden kann:   Statt taaa spricht man taiaia (tajaja). Das erhöht aber die Wortlänge. Dieser Mechanismus ist am besten für Stabschriften mit begrenzter Zeilenlänge geeignet, wo die Lautfolgen ...aiaioi... u.Ä. nicht zu lang und deshalb monoton werden.



Version: nach Leerzeichen immer Konsonant sprechen

Die ersten 3 oben beschriebenen Versionen haben einen großen Nachteil: Gleiche Zeichenfolgen werden je nachdem, ob sie an ungerader oder gerader Position der Zeile beginnen, ganz anders gelesen. Z.B. wird (bei der ersten Version) am Zeilenanfang   /\   als tu gelesen. Geht ein Leerzeichen voran   . /\   (hier durch Punkt symbolisiert), dann wird sopi gelesen. Diesen ergonomischen Mangel kann man so verbessern:

Man liest nach 1 oder mehr Leerzeichen das rechts folgende Zeichen immer als Konsonant (das nächste als Vokal, usw.). Deshalb sind in obiger Tabelle die Zeichenpaare, die mit Leerzeichen beginnen, überflüssig. Aber wir benötigen 2 Silben für Leerzeichen:

           si = 2 Leerzeichen (wie bisher)          se  = 1 Leerzeichen

Dann lautet /\ tu, ./\ setu, ../\ situ, ./\./\ setusetu, ../\./\ situsetu, ../\../\ situsitu, ./ seti /\.../\ tusisetu, /./\ titu (unverändert)

Ein Verschätzen um 1 Leerzeichen beim Lesen hat jetzt nur noch geringe Wirkung auf die Aussprache. Im Vergleich zur vorigen Lesart werden die Worte manchmal länger, manchmal bleiben sie gleichlang. (Zur weiteren Verkürzung der Wortlänge könnte man die nicht benutzten Silben sa, so, su für 3, 4, 5 Leerzeichen verwenden.)

           
       /\
      /\

Dieses Wort lautete vorher tu-sopi, jetzt tu-setu. Man erkennt die enorme ergonomische Verbesserung bei der zweiten Version:   /\ wird jetzt beidesmal gleich gelesen als tu



Bei der Stabschrift-Version "Zeilenanfang durch Konsonantenwechsel markiert" könnten die Leerzeichen-Silben so definiert sein:

   si = 2 Leerzeichen am Zeilenanfang     se = 1 Leerzeichen am Zeilenanfang
   fi = 2 Leerzeichen im Zeileninnern     fe = 1 Leerzeichen im Zeileninnern

Zur akustischen Wortverkürzung könnte man statt fe ein Diphtong-i sprechen. Z.B. statt   tufetu   tuitu. Aber   tifetu   würde man besser belassen, nicht als   tiitu   sprechen.






Weitere Versionen, flüchtig skizziert

- Andere Lautzuordnungen:   Hier sind verschiedene Prinzipien und viele Realisierungen möglich.

- Andere Strichdicken   (in obigen Beispielen ist sie 1:3)

- Erweiterung des Zeichensatzes um Punkt und / oder Kringel (zu beiden paßt m.E. der Laut L am besten). Auch ein oberer und unterer Halb- oder Drittelkreis (der sich waagrecht über 2 bzw. 3 Quadrate erstreckt) ist denkbar, fällt aber etwas aus dem Rahmen.

- Erweiterung des Zeichensatzes um 4 Viertelkreise (jeweils um 90 Grad gedreht). Hier gibt es 2 Versionen: entweder entstehen die Viertelkreise durch achsenparallele Zerlegung eines Kreises (+), oder durch diagonale Zerlegung (x)


- Verschiedene Konsonanten derselben Lautgruppe, z.B.   p, t, k   könnten stets dasselbe Zeichen am Zeilenanfang repräsentieren, aber mit 0, 1 oder 2 Leerzeichen davor. Die Zeichenposition symbolisiert dann die Artikulationsstelle:       Mund = Rand,   Zähne = innen,   Gaumen = weit innen


- Wenn man die waagrechten und senkrechten Striche statt in die Mitte einer Rastereinheit auf deren unteren bzw. linken Rand legt (in der Mitte könnte dann noch 1 Schrägstrich oder Punkt liegen), könnte man 1 solche Rastereinheit samt Strichen als 1Silbe sprechen, nach einem festzulegenden Verfahren (z.B. Konsonant gibt Randstriche an, Vokal die Füllung)


- In 1 Zeile dürfen entweder nur waagrechte Striche und Leerzeichen vorkommen, oder nur hohe Zeichen und Leerzeichen. Zeilen mit waagrechten Strichen sind niedriger, d.h. ihr Grundmuster ist kein Quadrat mehr. Abhängig von der Zeilenart können die Laute (außer den Anfangskonsonanten) verschiedene Bedeutung haben, dann benötigt man weniger Laute.



- Änderung des Grundrasters:   Man könnte den Grundraster (Bilder unten, oben links) um 45 Grad verdrehen (oben rechts; die grauen Quadrate stehen dann auf der Spitze). Dann stehen eng gezeichnete Quadrate auf einer Seite, weit gezeichnete auf einer Spitze.
Oder man ersetzt die Quadrate des Grundmusters durch Punkte in ihrer Mitte (unten links): jeder Strich geht dann mittig durch einen solchen Punkt. Auch dieses Grundmuster kann man um 45 Grad drehen (unten rechts). Das hat denselben Effekt auf Zeichnungen wie ein Verdrehen des Quadratmusters.



Die um 45 Grad gedrehten Muster sind unpraktischer, weil sie unübersichtlicher und schlechter vorstellbar sind und am Blattrand unregelmäßig. Das Punktmuster eignet sich auch zur Darstellung von durch Punkte eincodierte Bilder


- Man könnte Stabschrift-Bildworte auch spaltenweise lesen ( v.u.n.o. , statt zeilenweise v.u.n.o.). Das erleichtert bei seitensymmetrischen Worten das Lesen: Spalten wiederholen sich dann, manchmal unverändert, manchmal seitlich geklappt. Bei spaltenweisem Lesen sollte die bevorzugte Wortreihenfolge waagrecht sein, wie die Spaltenreihenfolge, damit beim Lesen weniger störende Richtungswechsel vorkommen.




Bewertung

Obige Stabschriften sind weit unpraktikabler als eine gute Buchstaben- oder Silben-Lautbildschrift, wegen der durchschnittlich höheren Wortlänge und dem komplizierteren Verfahren. Sie wirken eher technisch-digital, während Silben- und Buchstabenschriften spielerischer sein können. Doch Stabschriften haben auch Vorteile: Es werden nur wenige sehr einfache Zeichen benötigt (eigentlich nur 1 Zeichen, in verschiedene Richtungen gedreht). Das bedeutet wenige Letterntypen beim Druck, wenige Tasten an Schreibmaschine oder Computer, wenige Plätze im Computer-Zeichensatz. Auch die unbegrenzte Ideogrammgröße (Breite und Höhe) ist ein Vorteil bei der Darstellung eines Begriffs, aber auch nachteilig: Denn der starke Grössenunterschied zwischen den Ideogrammen macht die Textspalten verschieden breit. Das Bild wirkt dann zwar lockerer, ist aber schwerer lesbar.


Die Benutzung der hier beschriebenen Techniken ist frei                                          letzte Änderung  13.7.2006