Nirvana  -  ein   anderes   Wort   für   Heiliger   Geist

Inhalt: Kurzbeschreibung Vergleich einiger Zitate Ein mystisches Weltbild Helles Nirvana - dunkle Welt? Die Zukunft der Kirchen

Kurzbeschreibung

Nach weitverbreiteter Ansicht ist das Ziel des Christentums die persönliche Erlösung, das Ziel des Buddhismus dagegen das Aufgehen der Person im Nirvana (fälschlicherweise oft als "nichts" verstanden, weil nicht verstanden, dass eine Art Universalseele ohne Zeit, Formen und persönliche Grenzen gemeint ist, von Mystikern z.B. als lichter Raum erlebt). Wir zeigen an Zitaten von Mystikern, dass beides nebeneinander existieren kann und sich gegenseitig nicht ausschließt. Und dass Worte hier für das Verständnis hinderlich sein können, weil sie verschiedenen Sprachen entstammen, aber fast dasselbe bedeuten.



Vergleich einiger Zitate

Ein buddhistischer Mystiker, Paul Brunton, berichtet:

"Ein Meister im Himalaya sagte mir einmal: 'Das letzte Ziel einer Trance (Verzückung) ist eine Gottesvision als Licht zu erleben. Dieses Leuchten ist von derartiger Stärke, daß man durch die starke Einwirkung auf die optischen Nerven erblinden würde, würde man es plötzlich erleben, ohne darauf vorbereitet zu sein.' Mystiker, die das erleben, fühlen, daß sie in Licht förmlich gebadet sind; und sie alle erklären einmütig, daß dies die höchste Erkenntnis sei.
Man kann hierüber auch andernorts Beschreibungen finden, ... in der Literatur über die religiösen Mystiker des Mittelalters (Heilige Therese, Thomas von Aquin, Roger Bacon, Joachim von Dinant u.a.). Immer wieder wird erwähnt, daß der Meditator oder der in Trance versunkene Mystiker als in ein Meer von Licht eingeschlossen erscheint (Heiligenschein alter Bilder) und daß mit diesem Licht ein Gefühl unendlichen Freiseins und Verstehen, Glückseligkeit, Frieden und Ruhe über ihn komme."
[Paul Brunton,Entdecke dich selbst, Bauer Verlag Freiburg, 1991]



Ein christlicher Mystiker war Bruder Jan von Olvernen (gest. 1322), einer der ersten Mitbrüder des Ordensgründers Franziskus. Von ihm berichtet ein älteres Buch:

"... Sonderlich ward er auf eine Zeit in einem wunderbaren Licht in Gott erhaben, da er in dem Schöpfer alles Geschaffene sahe, beides was im Himmel und was auf der Erden ist, und wie Alles in seinen unterschiedenen Graden geordnet ist. Er sah die Chöre der seligen Geister unter Gott geordnet, er sah das irdische Paradies, er sah alles Geschaffene auf und unter der Erden und wie alles, ein jedes nach seiner Art, seinen Schöpfer repräsentiere und als vor Augen darstelle.

Hernach ward er über alles Geschaffene tiefer in Gott gezogen, so daß seine Seele eingenommen und als verschlungen war in den Abgrund der Klarheit Gottes, und wie begraben in dem Meer der göttlichen Ewigkeit und Unendlichkeit; daß er so gar nichts Geschaffenes oder Formirtes, nichts Endliches, das ein menschliches Herz gedenken oder die Zunge aussprechen mag, in seiner Seele empfande. Die Seele selbst war verschlungen in dem Meer und Abgrund der Gottheit und also ausgebreitet, wie ein Tropfen Wassers in der Tiefe des Meeres, welcher nichts in sich findet als das Meer."

[Alban Stolz: Legende oder Der christliche Sternenhimmel, 3. Auflage, Herder'sche Verlagshandlung, Freiburg im Breisgau, 1865 ]


"Das Eingehen in das Nirvana ist, wie wenn ein Tropfen Wasser im Meer versinkt." [buddhistischer Spruch]


Auch Dante berichtet Ähnliches in seiner "Göttlichen Komödie", als er im obersten Himmel angelangt ist:


     "O Gnadenmeer, daß  ich mich's  unterfing
      Daß meine Blick' am Lichte haften blieben,
      Eindringend, bis das Schauen dort verging!

      In seiner Tiefe schloß, vereint durch Lieben,
      Wie  in  ein  einzig  Buch  sich  alles  ein,
      Was durch das Weltall steht zerstreut geschrieben ...

      Denn  jenes  Licht  übt  so  erhabnen  Bann,
      Daß nimmermehr von ihm der Blick verblendet
      Nach  anderem  zu  schaun  einwill'gen  kann."

Dazu der Kommentar des Übersetzers:
"Durch die Fürbitte der Himmelskönigin wird Dante die höchste aller Seligkeiten gewährt, in welcher jede Sehnsucht erlischt, das Anschauen der Gottheit. Nun sieht er die Vielheit der Dinge als Einheit in der Tiefe des ewigen Lichtes (82-87)."

[Kap. 33, Verse 82-84, 100-102; in: Die Silberfracht, Hirschgraben-Verlag Frankfurt 1967]



Elisabeth Kübler-Ross, eine Ärztin, die sogenannte Nachtod-Erlebnisse von klinisch toten, wiederbelebten Patienten erforschte, berichtet:

"Nachdem wir diese sichtbare, sehr schöne und individuell abgestimmte Art des Durchgangs ... durchschritten haben, nähern wir uns einer Lichtquelle, welche viele unserer Patienten beschrieben haben und welcher ich auch selbst entgegentreten durfte. Diese Begegnung bescherte mich mit meiner unglaublich schönsten und unvergeßlichsten Erfahrung, welche man das Innesein des kosmischen Bewußtseins nennt. In der Gegenwart dieses Lichts, das von den meisten Wissenden in unserer Kultur als Christus, Gott, Liebe oder einfach Licht genannt wird, sind wir von totaler und absoluter Liebe, von höchstem Verstehen und tiefstem Mitempfinden umgeben."
[E. Kübler-Ross, Über den Tod und das Leben danach, Verlag Die Silberschnur,11. Auflage 1989]

(Anmerkung: Von manchen Patienten wurde dieses Licht kurz als "liebendes Licht" bezeichnet. Es gibt aber auch negative Nachtod-Erlebnisse.)



Diese Erlebnisse von Mystikern verschiedener Religionen sind frappierend ähnlich. Insbesondere gibt es sowohl im Buddhismus wie im Christentum folgendes:

- Das Erlebnis "Gottes" als lichter Raum (Dieses Erlebnis scheint höher zu sein als das folgende, vergleiche dazu den Ausspruch Paul Brunton's: "Gott ist nicht das Licht, aber das Licht ist das, was Gott am ähnlichsten ist.")

- Das Erlebnis "Gottes" als lichtes Meer, in dem die Seele wie ein Tropfen versinkt

- Kategorien geistiger Wesen (buddhistische Götter in verschiedenen Himmelsebenen bzw. christliche Geister- und Engelchöre)

In beiden Religionen bestehen also diese Dinge, der geistige Urgrund und die Schöpfung, gleichzeitig, d.h. sie widersprechen sich nicht und schließen sich nicht aus.



Ein mystisches Weltbild

Ein Gotteserlebnis der Art, dass die personalen Eigenschaften unbedeutend werden oder verschwinden, ist für viele Menschen nur schwer vorstellbar: Ein Aufhören der personalen Eigenschaften (d.h. der Person), aber gleichzeitig die höchste Intensität des Seins und der Empfindung, das scheint ein Widerspruch zu sein. Zumindest im westlichen naturwissenschaftlichen Weltbild, das konstruktivistisch ist, d.h. es behauptet, dass sich Großes aus Kleinteilen zusammensetze, und dass Psyche ein Ergebnis Psyche-erzeugender Vorgänge sei.


Im mystischen Weltbild dagegen differenzieren sich die Einzelheiten aus dem Ganzen heraus, wie sich Wellen auf einer glatten Oberfläche bilden, sich überlagern und immer weitere und kompliziertere Strukturen schaffen: Niemand würde behaupten, dass Wasser sich aus Wellen zusammensetzt. Das Wasser kann auch ohne Wellen existieren (umgekehrt nicht!), ja es zeigt seine wahre Natur vielleicht nie so klar wie in ruhigem, ungeformten, sozusagen zeitlosen Zustand. Genauso existiert im mystischen Weltbild eine Universalpsyche, Universalseele, Nirvana, Brahman, Urlicht, Gott, heiliger Geist oder wie man das nennen mag, das bereits alle grundlegenden psychischen Eigenschaften hat, und aus dem sich einzelne Psychen oder psychische Vorgänge, ja die ganze Welt (die z.B. im Buddhismus und in den Naturreligionen als beseelt gilt) herausdifferenzieren.


Ein Aufhören der individuellen Psyche bedeutet deshalb genauso wenig das Aufhören von Sein und Empfindung, wie ein Aufhören der Wellen das Ende des Wassers bedeutet: im Gegenteil, alles wird klarer. Der Mensch, der vorher sozusagen eine einzelne Welle war, wird zum ganzen See. Und nach den übereinstimmenden Schilderungen obiger Mystiker ist dieser Zustand, dieses "Gotteserlebnis" unvergleichlich erhabener und beeindruckender als alles andere, so dass, wie Dante schreibt, ein Mensch niemals freiwillig sich davon abwenden kann, d.h. sich nicht in die Welt des Geformten begeben will, obwohl es im Ungeformten nur einen ewig gleichen Anblick gibt.

(Der Vergleich mit Wasser hinkt - man müßte eher von Äther und Ätherwellen oder von Licht und Lichtwellen sprechen, aber die kann ein Mensch nicht sehen. Auch ein Vergleich mit Schallwellen, die ja auch eine geometrische Form haben, wäre möglich: Auf den feinstofflichen Ebenen des Seins würde Schöpfung sozusagen durch eine spezielle Sprache erfolgen - Schall erzeugt ja in einem Medium Strukturen. Die Lautbildschrift ist sozusagen ein spielerisches, irdisches Modell, wie man sich so etwas vorstellen kann.)

Diese Art Schöpfung aus einem geistigen Urgrund heraus ist auch angedeutet in den christlichen Zitaten: "Gott ist in allen Dingen", "Gott ist in Euch und ihr in Ihm". "Gott" hat sozusagen das Universum aus sich herausdifferenziert, ist deshalb auch "Mutter", da er sozusagen aus seiner eigenen "Substanz" etwas formt. "Gott" ist aber nicht zur bloßen "Weltseele" geworden, sondern es gibt immer den ewigen, zeitlosen Bereich, "Gott" selbst (im engeren Sinn) oder das Nirvana.



Die Schöpfung vollzieht sich im mystischen Weltbild stufenweise:

1) Die oberste Stufe ist das Ungeformte / Urlicht / Nirvana / Brahman / Universalgeist/ Gott
2) Darin wirken drei Kräfte / Psychen / Eigenschaften. Dante berichtet dazu:


    "Und in der tiefen strahlenden Substanz
     des hehren Lichts sah ich drei Kreise stehen,
     Dreifach an Farbe, gleich an Größe ganz,

     Ein Kreis den andern spiegelnd, wie wir sehen,
     Iris um Iris, und der dritte Ring
     schien Feuer und den andren zu entwehen.

     O gegen mein Anschaun welch ärmlich Ding
     Mein Wort!"
[Kap.33, Vers 115 ff.]

Wie beim Nirvana, so ist auch bei der 2. Stufe der Schöpfung Dante eher in der Lage, nüchterne Fakten zu beschreiben, als die Erhabenheit dieser Sache bzw. dieses Erlebnisses mitzuteilen - das besagen die letzten 2 Verse.

Wie das sichtbare weisse Licht besteht laut Dante also auch das Urlicht aus verschiedenen Farben, die verschiedene psychische Eigenschaften darstellen.


3) Die drei Kräfte der 2. Stufe formen zusammenwirkend die Erscheinungen der 3. Stufe, vergleichbar mit konzentrischen Wellen, die, von 3 Mittelpunkten ausgehend, sich überlagern und eine Fülle neuer "Muster" schaffen: Die obersten geistigen Wesen außerhalb der Dreifaltigkeit.
(Didaktisches Modell: Man wirft 3 Kieselsteine ins Wasser und sieht zu, wie sich 3 konzentrische Wellenringe bilden, die sich überlagern und neue, kompliziertere Strukturen bilden.)


n) Ähnlich geht es auf den tieferen Stufen weiter: Jede Stufe ist weniger feinstofflich als die übergeordnete, aber differenzierter, d.h. es gibt mehr und kompliziertere Erscheinungsformen und Mechanismen, um die Dinge dieser Ebene bzw. der untergeordneten Stufen zu bilden. Auf jeder unteren Stufe vergeht die Zeit schneller. Die obersten Stufen (zumindest 1 und 2) sind zeitlos, d.h. ewig.


Nach Dante geht diese Differenzierung aber nicht endlos weiter. Sondern einmal (auf der Erde) ist das Maximum erreicht. Dann geht es weiter abwärts in die Hölle mit immer engeren Kreisen.



Unschwer erkennt man in den 3 Kräften / Psychen der 2. Stufe die christliche Dreifaltigkeit (Vater, Sohn, Heiliger Geist) wieder. Die christliche Dreifaltigkeit repräsentiert jedoch gleichzeitig auch verschiedene Stufen des Werdens:


 - Heiliger Geist:   oberste Stufe, Nirvana
 - Gott Vater:         eine auch irdische Dinge direkt erschaffende Wesenheit,
                               also einer tieferen Stufe zugehörig.
 - Christus:            ein Lebewesen, also noch tiefer in die Materie hinabreichend.

Dieses Faktum, dass die christliche Dreifaltigkeit gleichzeitig eine horizontale und vertikale Schichtung (wie nüchtern) repräsentiert - nämlich gleichzeitig 3 parallele, gleichwertige Kräfte, und gleichzeitig 3 verschiedene Stufen des Hinabsteigens in die Schöpfung, gleicht der Quadratur des Kreises: es ist schwer verständlich, schon eher logisch widersprüchlich.

Vielleicht wollte man die Dreifaltigkeit zwar in der Lehre repräsentieren, aber das Verständnis des normalen Gläubigen nicht überstrapazieren, und wählte deshalb eine Art personifizierte Version. Sicher ist diese Aufteilung auch eine historische Entwicklung: Der alttestamentarische Gott, eine Art individuelles Geistwesen, nicht Gott im allgemeinen Sinn, erhielt im Zuge der Vergeistigung den hl. Geist beigesellt, der im Alten Testament nicht erwähnt wird, sondern aus dem griechischen Begriff des 'logos' (geistiges Urpinzip) entstand.

Im Buddhismus dagegen gelten z.B. die Buddhas (von denen es etliche Millionen geben soll) als Inkarnationen (Verkörperungen) oder Emanationen (Ausstrahlungen, Schöpfungen) oder Spiegelungen des geistigen Buddha. Sie haben also an seinem Geist teil, aber auch eine zusätzliche individuelle, mehr personale Komponente. Dieses Konzept ist nicht in sich widersprüchlich.



Die Zeit vergeht auf den unteren Stufen der Schöpfung schneller, wie bereits erwähnt. Das heißt aber nicht, dass nur die oberste Stufe, das Nirvana, zeitlos, d.h. ewig ist. So gibt es im Buddhismus neben dem Nirvana, das form- und zeitlos ist, u.a. auch einen archetypischen Bereich der Formen (sambogha-kaya), der zwar formhaft, aber immateriell und zeitlos ist (und somit an Platons Ideenlehre erinnert).
[siehe: Lama Anagarika Govinda, Der Weg der weissen Wolken,Seite 244]


Auch der hl. Augustinus berichtet von einem ewigen Bereich der Formen (ein Wort hat als Schall ja immer eine räumliche Ausbreitung):

"Gottes Wort ist ewig in Gott selbst.
So rufest du uns also, o Gott, zur Erkenntnis des Wortes, das Gott ist bei dir, das von Ewigkeit her ausgesprochen wird und in dem alle Dinge von Ewigkeit her ausgesprochen werden. Denn das eine Wort wird nicht etwa beendet, damit ein anderes gesprochen und nach und nach alle gesprochen werden werden können, sondern alles ist zugleich und von Ewigkeit her ausgesprochen; sonst fände sich hierbei ja schon Zeit und Wechsel an Stelle von wahrer Ewigkeit und wahrer Unsterblichkeit."

[Hans-Georg Gadamer, Philosophisches Lesebuch, Fischer 1965, Seite 280]


Auch die bereits oben zitierten Verse Dante's könnte man so interpretieren:


      "In seiner Tiefe schloß, vereint durch Lieben,
       Wie in ein einzig Buch sich alles ein,
       Was durch das Weltall steht zerstreut geschrieben."

Welche Lehre richtig ist, die von der personellen Erlösung oder die von der "unpersönlichen Erlösung", dem Nirvana, kann mit obigem Weltbild klar beantwortet werden: Beides scheint möglich zu sein. Ein christlicher oder buddhistischer Heiliger z.B., der in einem Paradies wandelt, ist eben in einem höheren geistigen Raum (es könnte durchaus verschiedene solcher Paradiese geben), aber noch nicht im höchsten geistigen Bereich, dem Nirvana oder wie man das nennen will. Im Buddhismus gibt es tatsächlich beides. Gemäß den Reden Buddhas verbringt ein guter Mensch nach dem Tod eine Zeitlang in einem Götterhimmel (dem christlichen Paradies vergleichbar), bevor er wieder inkarniert; das Endziel ist das Nirvana.

Schwieriger scheint die Frage nach der Dauer des Erlösungszustandes: Obige Mystiker erlebten das Nirvana ja nur "kurzzeitig". Nach buddhistischer Lehre soll es allerdings endgültig sein. Doch kann aus diesem ungeformten Urgeist nicht wieder etwas Neues, Anderes werden? In gewissem Sinn ist die Frage widersprüchlich: Das Nirvana ist ja zeitlos, ewig, beide Erlösungszustände könnten nebeneinander existieren. Im buddhistischen Symbol "Rad des Lebens" ist das Nirvana der Mittelpunkt, der zeitlose Nullpunkt, von dem als Speichen die verschiedenen Existenzen in die Zeit hinausgehen. Auch christliche Mystiker, z.B. der hl. Augustinus, haben sich intensiv mit diesem, für die menschliche Vorstellungskraft schwierigen Problem von Zeit und Nicht-Zeit / Ewigkeit befaßt.



Helles Nirvana - dunkle Welt?

Nirvana wird, wie erwähnt, von Mystikern als lichter Raum erlebt, manchmal auch als Meer, aber immer gilt:   Nirvana ist licht.
Im Gegensatz dazu scheinen mystische Erlebnisse von Höllen zu stehen, die meist als dunkel empfunden werden. Doch diese Höllen gehören bereits zur Welt, sind also etwas Gewordenes, nicht Ewiges. Man könnte sie mit den Elementen Feuer, Wasser, Erde, Luft assoziieren, die bei den alten Griechen, aber auch im Buddhismus erwähnt werden.
Auch zur Ansicht antiker Religionen, die Welt sei urprünglich dunkel und wüst (Bibel, antike Griechen, Edda), muß gesagt werden:

1) Es handelt sich um die geschaffene Welt (eher um einen winzigen Ausschnitt davon, unser Sonnensystem oder unsere Galaxis), nicht um den geistigen Urgrund allen Seins, Gott oder Nirvana oder wie man ihn nennen mag

2) Selbst die - aus Licht geschaffene! - Welt war wohl ursprünglich hell, wurde aber (wohl nur in Teilen) vielleicht irgendwann dunkel: Im Buddhismus gilt unser Weltzeitalter Kali-Yuga (das sich wohl höchstens auf unsere Galaxis bezieht) als dunkel wegen seiner vielen schweren Sünden

3) Hell / dunkel hängen von der Wahrnehmungsfähigkeit des Betrachters ab. Der geistige Urgrund ist überall im Geschaffenen, nur können wir dieses Licht normalerweise nicht erkennen.



Die Zukunft der Kirchen

Weshalb gibt es verschiedene Religionen, wenn ihre Inhalte sich nicht gegenseitig auschließen? (Was mir, nach obigen Zitaten, zumindest für Christentum und Buddhismus zuzutreffen scheint)

Es ist wohl so wie in der Natur: Es gibt nicht eine Kraft, die genau "den Punkt trifft", sondern Kräfte und Gegenkräfte, aus deren Zusammenspiel sich (hoffentlich) der gewünschte Endzustand ergibt. Je mehr eine Kraft unterdrückt wird, desto stärker wird sie oft, desto stärker wird dann die Gegenreaktion. So wird verhindert, dass ein Aspekt völlig untergeht.

Dass jedoch auch im religiösen Bereich diese Kräfte keine direkten Gegensätze sind, sondern zusammenwirken können, zeigt folgendes Zitat: Es handelt sich um eine Prophezeiung des katholischen Pfarrers Franz Sales Handwercher (1792 - 1853) über die Zukunft der Kirchen. Dieser Pfarrer hatte 15 Sonntage lang morgens nach der heiligen Messe Visionen, die er niederschrieb. (Persönliche Bemerkung: Ich halte Prophezeiungen aus vielen anderen Quellen für unsinnig; aber diese nicht).


    "Herrlich in der Himmelswölbung
     Hat die Kuppel sich erhoben
     Und das Kreuz, das Welt
     Und Satan überwunden, steht hoch oben.

     Meine Augen überraschen jetzt
     Drei Tempel in dem einen,
     Die vereint und doch geschieden,
     Als ein Ganzes mir erschienen.

     Links ist Gott des Vaters Tempel.
     Rechts der Tempel von dem Worte;
     Mitten strahlt des Geistes Kirche
     in dem heiligen Gnadenorte.

     In den dreien Kirchen sah ich
     In anbetendem Vereine
     Mit den Engeln und den Heiligen
     Die andächtige Gemeinde.

     Alle Gläubigen und Frommen,
     Jeden Ranges, jeden Standes,
     Jeden Alters und Geschlechtes,
     Jeden Weltteils, jeden Landes.

     ...

     Zur Monstranze wählt die Jugend
     sich des Waldes schönste Fichte;
     und es strahlt im grünen Zelte
     Jesu Herz in mildem Lichte.
     ..."

[Wolfgang Bekh: Das dritte Weltgeschehen, Knaur 1976]
Obige Verse schildern wohl eine Universalkirche, die aus der Vereinigung verschiedener Kirchen / Glaubensrichtungen hervorgehen soll. Wenn auch ein Kreuz oben steht, symbolisiert die Hauptkirche, der "Tempel des Geistes", m.E. doch eher eine Religion vom Typ des Buddhismus. Christus spielt jedoch eine sehr wichtige Rolle als Überwinder und Erlöser (in den vorangehenden, hier nicht gezeigten Versen). Auch die Naturreligionen mit ihrem Wissen um die Beseeltheit aller Dinge, auch von Pflanzen und Tieren, sind integriert, wie die letzte zitierte Strophe andeutet. Und schon vor dem Entstehen einer Universalkirche wird - nach hier nicht zitierten Versen Handwerchers - die christliche Kirche die vegetarische Lebensweise vorschreiben.


Autor: Leonhard Heinzmann               Homepage                 Stand: 18. 12. 2016